Krüppel – Vom preußischen Krüppelfürsorgegesetz zum Bundesteilhabegesetz

(Den Artikel habe ich im Dezember 2018 geschrieben / November 2019 überarbeitet.)

Ich war gestern auf einer Seite, da hat man sich sehr über das Wort “Krüppel“ aufgeregt.
Ich finde, wenn man das Wort zeitlich eingeordnet gebraucht ist das nicht schlimm. Die Bedeutung von Worten verändern sich nun einmal mit der Zeit.
Es gab da im Mai 1920 das Weltweit erste Behindertengesetz:

Das preußische Krüppelfürsorgegesetz:

„§ 1. […] Die Landesarmenverbände sind verpflichtet, für Bewahrung, Kur, und Pflege der hilfsbedürftigen Geisteskranken, Idioten, Epileptischen, Taubstummen, Blinden und Krüppel, soweit sie der Anstaltspflege bedürfen, in geeigneten Anstalten Fürsorge zu treffen. Bei Krüppeln unter 18 Jahren umfasst die Fürsorge auch die Erwerbsbefähigung der Krüppel […]
§ 8. Jeder Stadt- und Landkreis hat mindestens eine Fürsorgestelle für Krüppel zu schaffen oder sich einer solchen anzugliedern.“
(Preußisches Gesetz, betr. Die öffentliche Krüppelfürsorge. Vom 6. Mai 1920)

„Jedes schulfähige Krüppelkind gehört an sich in eine besondere Krüppelschule, in der es unter Berücksichtigung der verschiedenen Gebrechen nach bestimmten Methoden auf Grund der besonderen Krüppelseelenkunde unterrichtet wird. Das aus dem Krüppelheim geheilt entlassene Krüppelkind sende man möglichst nicht in die Volksschule zurück, sondern führe es tunlichst in eine dem Heim angeschlossene ambulante Krüppelschule, die nach denselben pädagogischen und gleichen Methoden geleitet wird wie die Krüppelschulen in den Heimen.“ (Preußisches Gesetz, betr. Die öffentliche Krüppelfürsorge. Vom 6. Mai 1920)

Das war für seine Zeit eine ziemlich fortschrittliche Sache.

Während des zwölfjährigen tausendjährigen Reiches dachten zwar einige sie müssten das anders regeln:

Reichsbund der Körperbehinderten von 1931 bis 1933

Die Reichsarbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung des Krüppeltums

(3)

Doch 1945 wurde etwas anders gehandhabt.
Obwohl der Bundestag erst im  Mai 2007 die nationalsozialistischen „Gesetze zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ als von Anfang an nicht mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vereinbar und deshalb ungültig erklärte.
Wer sich für das Kapitel im Nachkriegsdeutschland und der DDR interessiert kann de ganze Geschichte hier nachlesen. (2)

Von „Aktion Sorgenkind“ zu „Aktion Mensch“

(Am 09. Oktober 1964, strahlte das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) zum ersten Mal eine Sendung der Aktion Sorgenkind aus.
die „Aktion Mensch“ startete 1995. Die ganze Geschichte gibt es über den Link hier oben.)

Während der 70er Jahre gab es in der Bundesrepublik wieder eine Krüppelbewegung. Menschen mit Behinderung begannen ihre Rechte selbst zu erkämpfen.
Aber erstmal änderte sich an der Gesetzeslage nur wenig.
Menschen mit und Menschen ohne Behinderung begegneten sich nach wie vor selten. Sonderschulen, Werkstätten und Heime, daraus gab es keinen Weg.

2002 trat dann das Bundesgleichstellungsgesetz inkraft. Das strahlte dann auch ins BGG.
2009 ratifizierte Deutschland dann die Behindertenrechtskonvention. Damit verpflichtete sich Deutschland die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Bundesteilhabegesetz

Und so kam es dann dann zum

Bundesteilhabegesetz.. 

(Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen)

Das Bundesteilhabegesetz ist sehr umfangreich. (1)

  • Es verschiebt alle Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung aus der Sozialhilfe (SGB XII) in das Recht der Rehabilitation (SGB IX),
  • regelt die Leistungen der Eingliederungshilfe auch inhaltlich neu,
  • verändert die Regelungen zur Kostenheranziehung von Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen,
  • bestimmt das Verfahren zur Beantragung und Bedarfsermittlung der Teilhabeleistungen,
  • reformiert das Vertragsrecht zwischen den Einrichtungen/ Diensten und den Kostenträgern der Eingliederungshilfe,
  • verändert die Schnittstelle zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung (das Pflegestärkungsgesetz III wird gleichzeitig mitgeregelt),
  • erneuert das Recht zur Teilhabe am Arbeitsleben und
  • reformiert den Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs (SGB IX).

Das ganze funktioniert in 4 Stufen bis zum Jahr 2023. Und bestimmt geht es weiter.

(1) Quelle: Wikipedia)
(2) Quelle: Onlinehandbuch: Inklusion als Menschenrecht
(2) Quelle: bidok: http://bidok.uibk.ac.at/library/fuchs-krueppel-diss.html#idp2485760

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